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Wölfe in der Kirche

  • Autorenbild: Dave
    Dave
  • 27. März
  • 2 Min. Lesezeit

«Hütet euch vor den falschen Propheten! Sie kommen im Schafskleid zu euch, in Wirklichkeit aber sind sie reissende Wölfe.» (Mt 7,15)



Es gibt Wölfe in der Kirche. Nicht immer sind sie daran erkennbar, dass sie Irrlehren predigen oder dass ihre prophetischen Worte unzutreffend sind. Diese Art von Wölfen fällt auch nicht mit ihrem zur Schau gestellten Stolz auf. Im Gegenteil: Sie kommen in demütigen Schafskleidern daher. Äusserlich sind sie von Schafen nicht zu unterscheiden. Sie beten oft, besuchen den Gottesdienst regelmässig und singen im Worship inbrünstig mit. Sie spenden grosszügige Summen und sind bekannt für ihre grosse Nächstenliebe.


Alles Schafskleider. Die beste Tarnung jedoch, die insbesondere in evangelikalen Milieus perfekt funktioniert, ist die Bibel unter dem Arm. Fundiertes Bibelwissen. Auswendig gelernte Verse. Biblisch verankerte Predigten. Er hält eine Bibel in der Hand? Nun, dann kann er kein Wolf sein – er ist einer von uns.

«Er hält eine Bibel in der Hand? Dann kann er kein Wolf sein.»

Einer von uns. Wieder so ein Schlagwort der Evangelikalen. Wir funktionieren sehr stark im Schema «wir» und «die». Wir können es uns kaum vorstellen, dass es Wölfe auch innerhalb unserer Gruppen und Strukturen, innerhalb unserer Gemeinden und Kirchen gibt. Aber genau davon spricht Jesus in der Bergpredigt.


Wie kann man nun diese Wölfe im Schafskleid identifizieren? Müssen wir allen Mitchristen pauschal misstrauen? Hinter jedem einzelnen Schaf einen Wolf vermuten? Nein. Jesus sagt uns klar, wie wir sie identifizieren können: «An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen» (Mt 7,16a) Woran ist ist also die Anwesenheit eines Wolfs im Schafspelz erkennbar? Was ist die «schlechte Frucht» eines Wolfs?


Tote Schafe.


Die Frucht eines Wolfes sind tote und verletzte Schafe. Wölfe im Schafskleid haben ein mörderisches Nähe- und Distanz-Verhältnis zu Schafen. Zuerst schmiegen sie sich an, suchen Nähe, Zutrauen und Gemeinschaft in der Herde – und dann fressen sie einzelne Schafe auf. Im Geheimen natürlich, damit ihre Deckung nicht auffliegt. Ein Wolf missbraucht die Schafe in seinem Umfeld, indem er sie angreift und schwer verletzt oder tötet.

Die Frucht eines Wolfes sind tote und verletzte Schafe.

Wenn ein mutmassliches Opfer von Missbrauch im evangelikalen Milieu seine Geschichte erzählt und damit seine Anschuldigungen publik macht, wird es leider in den meisten Fällen reflexhaft diskreditiert. Man unterstellt ihm böse Motive, prangert seine Mitschuld an oder spricht der Geschichte im Vornherein jede Glaubwürdigkeit ab. Instinktiv stellen wir uns auf die Seite des mutmasslichen Täters, heben seine grossen Errungenschaften für das Reich Gottes hervor und zeigen mit frommem Eifer auf die Bibel unter seinem Arm.


Sind wir verrückt geworden? Haben wir unsere Bibeln nicht gelesen? Wenn Jesus sagt, dass wir die Wölfe im Schafspelz an ihren Früchten erkennen sollen, dann können wir es uns nicht leisten, die «Früchte», nämlich Verletzungen der Schafe durch geistliche Wölfe, zu ignorieren.


Wir brauchen eine Kultur, in der Opfer von geistlichem und/oder sexuellem Missbrauch in der Kirche (und unzählige Studien und Berichte zeigen, dass es sie gibt, auch in Freikirchen!) gehört und ernstgenommen werden und ihre Geschichte erzählen dürfen. Wenn wir verletzte oder sterbende Schafe sehen, müssen wir uns um sie kümmern, ihnen Zeit und Aufmerksamkeit schenken – und uns auf die Suche nach dem reissenden Wolf machen. Auch dann, wenn er eine Bibel unter dem Arm trägt.

1 Comment


Sehr anschaulich und gut geschrieben. Vielen Dank.

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