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Corona und die Gemeinde

Autorenbild: DaveDave

Die Corona-Impfung und das Corona-Zertifikat haben das Potenzial, eine Gemeinde zu spalten. Zeit, einen Blog darüber zu schreiben! Soviel vorweg: Es wird in diesem Beitrag keine Impfmeinung und keine Zertifikatsmeinung geben. Du kannst also dein Sackmesser beruhigt wieder einklappen. Bei dem, was ich im Folgenden schreibe, ist meine eigene Meinung zu diesen Themen – so hoffe ich – belanglos.

Nur soviel: Diese ganzen Themen sind für mich nicht heilsentscheidend. Plakativ gesagt: Wir nehmen mit der Impfung oder dem Zertifikat in keiner Weise das «Zeichen des Tiers» an. Vielmehr glaube ich, dass es eine Gesundheitsentscheidung ist, die jeder von uns möglichst informiert treffen sollte.


Mit welchen heissen Eisen hatte die Gemeinde zur Zeit des Neuen Testaments eigentlich zu tun? Welche Themen hatten Spaltpotenzial? Ich zähle einige auf und überlege im Folgenden, welche Schlüsse wir für unsere aktuelle Situation daraus ziehen können:


Beschneidung

Hast du dir das schon mal überlegt: Die ganze erste Generation der frühchristlichen Gemeinde – Jesus, die Apostel und die ersten Tausenden von Gläubigen – war beschnitten, das war völlig selbstverständlich. Aber dann geschah das Unglaubliche: Unbeschnittene Heiden kamen zum Glauben und empfingen den Heiligen Geist (Apg 10). Menschen, die seit Abraham vom Rettungsplan Gottes ausgeschlossen waren, wurden plötzlich Teil der Familie Gottes.


Damit stand die junge Gemeinde vor einer riesigen Herausforderung: Mussten sich diese Heiden nun auch beschneiden lassen, wenn sie zum Glauben an Jesus kamen? Und sollten sie dann das alttestamentliche Gesetz halten? Paulus widmet diesem Thema viel Aufmerksamkeit. Im gesamten Galaterbrief spricht er fast nur von diesen Themen. Auch die anderen Apostel beschäftigte diese Frage. In Jerusalem traf man sich zum sogenannten Apostelkonzil und ging dieser Frage auf den Grund. Dabei fanden die Apostel eine eindeutige Antwort: Nein. Die Heiden müssen sich nicht beschneiden lassen. Sie müssen auch nicht das alttestamentliche Gesetz halten.


Aber das war ein Ringen! Da musste man sich zusammensetzen, diskutieren, Briefe schreiben, streiten, sich vom Heiligen Geist führen lassen, bis man zu einer Lösung vordrang.


Götzenopferfleisch

Der Verzehr von Götzenopferfleisch war vor allem in den heidnischen Städten ein Thema. In Jerusalem war die Grundkultur jüdisch und heidnische Tempel und Opfer hatten darin keinen Platz. Aber in Korinth oder Rom gab es riesige Tempel, in denen täglich unzählige Tiere geopfert wurden. Diese Opfer-Riten prägten die gesamte Stadt und christliche Gemeinden mussten dazu Position beziehen. Wenn ein Christ auf einem Markt Fleisch kaufte, konnte er sich nicht sicher sein, ob das Fleisch einem Götzen geopfert worden war.


Jetzt bist du gefragt: Stell dir vor, du stehst beim Detailhändler oder Metzger deiner Wahl vor der Fleischtheke. Du weisst mit Sicherheit, dass ein Teil dieser Fleischstücke einem Götzen geopfert wurde und nun wieder in die Nahrungsmittelkette eingeschleust wird. Du weisst aber nicht, welches Stück Fleisch davon betroffen ist. Wie würdest du dich entscheiden?


Vermutlich würde es unter meiner Leserschaft zwei Gruppen geben: Die einen greifen herzhaft zu und lassen sich von solchen unwichtigen Fragen nicht zurückhalten. Andere wenden sich ab und suchen im Hülsenfrüchte-Regal nach pflanzlichen Proteinen – nur kein Risiko eingehen!


Genau diese zwei Gruppen gab es in Rom. Und nun kommt ein weiteres Problem dazu: Die Christen in Rom trafen sich nicht in Gottesdienstgebäuden, sondern in Wohnhäusern. Dort wurde regelmässig miteinander gegessen und Abendmahl gefeiert. Und jetzt stell dir vor: Hier sitzen – im selben Raum – die Fleischesser und die Vegetarier. Und sie sollten zusammen essen und Gottesdienst feiern. Das hat enormes Spaltpotenzial!


Paulus selbst vertrat eine klare Meinung. Er positionierte sich persönlich bei denen, die alles Fleisch assen, das auf dem Wochenmarkt angeboten wurde (vgl. 1 Kor 10,25). In seinem Brief legt Paulus der Gemeinde in Rom jedoch kein pfannenfertiges Patentrezept vor. Er gibt nicht die Anweisung, dass alle – so wie er – bedenkenlos Fleisch essen sollten. Statt dessen schreibt er:


«Nehmt den, der im Glauben schwach ist, vorbehaltlos an, und streitet nicht über seine Ansichten mit ihm! Einer glaubt zum Beispiel, er dürfe alles essen. Der Schwache jedoch ernährt sich rein vegetarisch. Wer alles isst, soll den nicht verachten, der nicht alles isst! Und wer nicht alles isst, soll den nicht verurteilen, der alles isst, denn Gott hat ihn ja angenommen.» (Röm 14,1–3)

Paulus geht das Thema nicht von der Sachebene, sondern von der Beziehungsebene her an.

Paulus geht das Thema nicht von der Sachebene, sondern von der Beziehungsebene her an: «Nehmt liebevolle Rücksicht auf die religiösen Vegetarier! Schliesst sie nicht von den gemeinsamen Mahlzeiten aus. Legt ihnen auch nicht provokativ ein Stück Fleisch auf den Teller.»


«Wie kommst du denn dazu, den Diener eines anderen zur Rechenschaft zu ziehen? Ob er mit seinem Tun bestehen kann oder nicht, geht nur seinen Herrn etwas an. Und er wird bestehen, denn sein Herr ist stark genug, dafür zu sorgen.» (Röm 14,4)


Es ist so einfach, sich bei diesen Themen als Richter aufzuspielen: «Alle müssen so denken, wie ich. Von der Bibel her ist es klar, dass ich recht habe! Und ich richte die anderen.» Wenn du so denkst, hat dieser Text eine Nachricht für dich: Der Richterstuhl ist schon besetzt – da ist kein Platz für dich als Richter. Der Schwache, der um seines Gewissens willen nur Gemüse ist, ist nicht dir Rechenschaft schuldig, sondern Gott! Und was sagt Paulus: Er wird stehen bleiben, denn sein Herr ist stark genug, ihn aufrecht zu halten. In letzter Konsequenz geht es gar nicht um die Stärke und Schwäche des Einzelnen. Vielmehr geht es um den Herrn, der genug stark ist, uns aufrecht zu halten und uns Stand zu verleihen.

Der Richterstuhl ist schon besetzt – da ist kein Platz für dich als Richter.

Zwischenfazit

Was hat der Fleischkonsum von damals mit unserer heutigen Situation zu tun? Zuerst der offensichtliche Unterschied: Fleischkonsum oder Vegetarismus ist nicht ansteckend, Corona schon. Ob jemand aus Vorsicht vegetarisch leben wollte, entschied jeder für sich selbst. Bei Corona ist immer das persönliche Umfeld sowie die gesellschaftliche Situation (Spitalauslastungen) als Faktor für die Entscheidungsfindung im Blick zu behalten.


Trotzdem kann man einiges daraus mitnehmen:

  1. Die Beziehungsebene ist wichtig! Es muss möglich sein, innerhalb der Gemeinde zu gewissen Themen (die nicht heilsentscheidend sind!) verschiedene Ansichten zu haben und einander trotzdem anzunehmen.

  2. Es ist nicht zwingend nötig, alles auszudisktutieren oder auszustreiten, bis wir alle auf derselben Linie sind: «streitet nicht über Gewissensbedenken!» Paulus konnte – obwohl er persönlich eine klare Meinung vertrat – gewisse Dinge einfach stehen lassen und den Fokus darauf legen: Nehmt einander an!

  3. «Wie kommst du dazu, dich zum Richter über den Knecht eines andern zu machen?» Unsere letzte Rechenschaft sind wir Gott schuldig, nicht einander. Mit dieser Gewissheit darfst du deine soziale Kontrolle herunterfahren. Die Leute müssen dir keine letzte Rechenschaft geben – sie sind Gott Rechenschaft schuldig.

Wenn wir nichts unternehmen, treiben diese Themen Gemeinden auseinander.

Ich glaube, wir sollten uns diese Punkte, die Paulus anspricht, für unsere aktuelle Situation zu Herzen nehmen. Und zwar gerade nicht, um eine Meinung oder Befürchtung klein zu reden, sondern um die Einheit miteinander zu bewahren. Wenn wir nichts unternehmen, treiben diese Themen Gemeinden auseinander.


Beachtung von Tagen

Nun kommt Paulus auf ein anderes Thema zu sprechen:


«Der eine hebt bestimmte Tage hervor, für den anderen ist jeder Tag gleich.» (Röm 14,5a)


Es ist nicht ganz klar, worauf Paulus hier anspielt. Auf die Judenchristen in Rom, die den Sabbat hielten, während die Heidenchristen gemäss römischer Sitte nur alle 10 Tage einen Feiertag einlegten? Wir wissen es nicht genau. Was aber völlig erstaunt, ist die Antwort, die Paulus gibt:


«Jeder soll mit voller Überzeugung zu seiner Auffassung stehen!» (Röm 14,5b)


Macht Paulus damit die Spaltung nicht noch schlimmer? Wenn jeder zu einer festen Überzeugung kommt, werden die Gräben dann nicht noch tiefer? Nein, denn Paulus ist von der Überzeugung durchdrungen, dass die beiden Lager auf einer tieferen Ebene zusammenfinden:


«Wer einen bestimmten Tag bevorzugt, tut das zur Ehre des Herrn. Genauso ist es bei dem, der alles isst. Er tut es zur Ehre des Herrn, denn er dankt Gott dafür. Und auch der, der nicht alles isst, tut das zur Ehre des Herrn und sagt Gott Dank. Denn keiner von uns lebt für sich selbst und keiner von uns stirbt für sich selbst. Wenn wir leben, leben wir für den Herrn, und wenn wir sterben, gehören wir dem Herrn. Im Leben und im Tod gehören wir dem Herrn. Dazu ist Christus ja gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende der Herr sei.» (Röm 14,6–9)


Alles für den Herrn

Hier ändert sich die Blickrichtung der Leserschaft: weg von den Unterschieden, hin zu Jesus als Herrn. Einheit erreichen wir nicht dann, wenn jeder genau gleich handelt. Wenn jeder dasselbe isst, dieselben Tage feiert, oder auf heute übertragen: Dieselbe Meinung zu gesundheitspolitischen Entscheidungen in diesem Land hat. Sicher: es wäre schön harmonisch in unseren Gemeinden. Aber es wäre nicht christliche Einheit.

Es wäre schön harmonisch in unseren Gemeinden. Aber es wäre nicht christliche Einheit.

Christliche Einheit besteht dort, wo wir das gemeinsame Ziel verfolgen, Gott zu ehren. Und zwar sowohl der andere mit seiner abweichenden Meinung als auch ich. Das verlangt unheimlich viel von uns ab und ich wünsche mir, dass dieser Blogbeitrag dich herausfordert. Die Frage ist nämlich nicht länger: Machen es alle so wie ich? Sind alle geimpft, so wie ich? Sind alle ungeimpft, so wie ich? Sondern: Ehre ich Gott, mit dem, was ich tue? Ist er der Fokus meines Lebens? Richte ich mich nach ihm aus? Frage ich ihn um Rat? Handle ich so, dass ich Gott ehre?

Mach deine Meinung nicht zur Bedingung dafür, ob andere Personen echte Christen sind oder nicht.

Daraus entsteht Einheit. Du hast eine klare Meinung zu Impfung und Zertifikat? Schön. Du darfst sie von Herzen gern vertreten. Nur: mach deine Meinung nicht zur Bedingung dafür, ob andere Personen echte Christen sind oder nicht.

 
 
 

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