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AutorenbildDave

Der himmlische Rhythmus

Vor einigen Wochen hat die Musik abrupt aufgehört zu spielen. Viele von uns hat es eiskalt erwischt – mitten im hektischen, beinahe ekstatischen Tanz unserer christlichen Betriebsamkeit sind wir erstarrt und haben uns beschämt und lautlos auf den Boden gesetzt. Das laute Lied des religiösen Aktivismus ist zu Ende gespielt. Warten wir ungeduldig darauf, dass es wieder von Neuem beginnt und wir denselben wilden Tanz aufführen können? Oder warten wir auf einen neuen, himmlischen Sound, einen göttlichen Rhythmus, in den wir einsteigen können und in dem unser Leben und unsere Gemeinden aufblühen wie nie zuvor?

Der himmlische Rhythmus Gott hat seinem Volk Israel einen himmlischen Rhythmus auferlegt: Arbeit und Ruhe, Alltag und Festtag, Arbeitsjahr und Ruhejahr wechseln sich ab. Der himmlische Rhythmus schlägt im 7/7-Takt. Die Einteilung der Arbeitswoche in sechs Werktage und einen Sabbattag hat sich bis heute erhalten. Doch Gott verordnete dem Volk Israel nicht nur einen Wochen- sondern auch einen Jahresrhythmus. Alle sieben Jahre fuhr das Land herunter: Lockdown im Sabbatjahr. Die Felder wurden nicht bestellt, der Weinberg nicht gepflegt, das Land und die Menschen kamen zur Ruhe. Alle Schulden wurden erlassen und die Sklaven erhielten ihre Freiheit zurück.

Der himmlische Rhythmus schlägt im 7/7-Takt.

Das Halljahr, das jeder Israelit nur ein- bis zweimal im Leben erlebte, war noch spezieller. Alle sieben Sabbatjahre bzw. alle 49 Jahre wurde es ausgerufen. Jeder Israelit erhielt seinen Erbbesitz zurück, den er in den vergangenen Jahrzehnten durch Armut oder Misswirtschaft verloren hatte. Gott stellte in diesem grossen RESET-Jahr alles wieder auf Anfang. Menschen, Tiere und Ackerböden konnten Atem holen, Kraft sammeln, aufblühen.


Aus dem Takt geraten Soweit die Theorie. In der Praxis hielt sich das Volk kaum je an diesen himmlischen Rhythmus. Schon die Sabbattage wurden vom Volk regelmässig missachtet. Die Sabbat- und Halljahre wurden wohl kaum je eingehalten. Das Land litt unter der ständigen, pausenlosen Belastung. Die Äcker wurden ausgelaugt, die Menschen und Tiere überbeansprucht. Das Volk geriet aus dem Takt Gottes und ging seine eigenen, rastlosen Wege.


Szenenwechsel – die christliche Gemeinde, dreieinhalbtausend Jahre später. Gibt es nur in meinem Umfeld so etwas wie eine kollektive, geistliche Erschöpfungsdepression? Wir haben den Rhythmus Gottes immer noch nicht im Blut. Noch immer erklingt das alte Lied der Ruhelosigkeit, die bekannte Leier der Erschöpfung, das Gejammer über zu wenig Zeit für die wirklich wichtigen Dinge.


Die aktuelle Corona-Krise ist ein guter Moment, um innezuhalten. Wo sind wir aus dem himmlischen Rhythmus geraten und hetzen nur noch von einer (christlichen!) Aktivität zur anderen? Es sind diese Fragen, die wir momentan durchkauen müssen. Der Lockdown hat auch seine guten Seiten: Ein Grossteil des Gemeindeprogramms findet im Moment nicht statt. Unsere allzu oft vom Aktivismus getriebene Gemeindekultur kommt zur Ruhe. Und es stellt sich die Frage, ob wir nach dem Lockdown wirklich weitergehen wollen wie bisher.

Die Chance, die in dieser Krise liegt, dürfen wir nicht verpassen.

Drei Vorschläge für die Gemeinde nach dem Lockdown Unsere Antwort sollte «Nein!» lauten. Die Chance, die in dieser Krise liegt, dürfen wir nicht verpassen. Aber was sollen wir dann tun? Mit welcher Melodie beginnen wir, wenn der Pausentakt vorbei ist? Ich schlage folgenden Dreiklang vor:


  1. Gebet statt Aktivität. Ganz konkret: welche Programme können wir beenden? Welche Aktivitäten zurückfahren? Wo sind unsere Kirchen und Gemeinden zu religiösen Bienenhäusern geworden, die ihre Mitglieder so beschäftigen, dass keine Zeit mehr zum Beten bleibt? Das Gebet muss wieder das Zentrum unserer Gemeinden werden. So laufen wir viel weniger Gefahr, in denselben alten Trott christlicher Betriebsamkeit zu geraten.

  2. Menschen statt Programme. Sind es nicht die Menschen und Beziehungen, die wir jetzt vermissen? Und doch – so oft geraten sie im Gemeindetrubel aus unserem Blick, weil wir keine Zeit mehr für sie finden. Gemeinden müssen wieder zu familiären Beziehungsnetzwerken werden. Wenn der Lockdown vorbei ist und die Gemeinde ihr Leben wieder aufnimmt, tun wir gut daran, Menschen vor Programme zu stellen.

  3. Himmlischer Rhythmus statt irdische Ruhelosigkeit. Wir werden wieder Aktivitäten und Programme aufnehmen – und das ist auch in Ordnung so. Aktivitäten gehören in gewissem Mass zur Gemeinde. Aber ich schlage Folgendes vor: Jeder Männergrillabend, jede Seniorentanzgruppe, jeder Spielenachmittag wird nach sechs Monaten wieder für einen Monat gestoppt. Der kirchliche Kinderflohmarkt setzt nach sechs Jahren einmal aus. Und nach dieser Sabbatzeit schaut man, was fehlt. Ob überhaupt etwas fehlt. Wir planen im Vornhinein Zäsuren ein, bevor wir wieder in den alten Tanz der Rastlosigkeit verfallen, den unsere Füsse immer noch so gut beherrschen. Stoppen wir uns selbst, bevor Gott uns wieder stoppen muss!

Stoppen wir uns selbst, bevor Gott uns wieder stoppen muss!

Zurück in den Segenskreislauf Das Gebot der Sabbatjahre finden wir im mosaischen Gesetz in 3. Mose, Kapitel 25. Direkt darauf folgt in Kapitel 26 eine eindrückliche Auflistung von Segen und Fluch. Wenn das Volk Israel Gottes Gebote hält, befindet es sich im Segenskreislauf. Verlässt es Gottes Wege, dann gerät es in einen Strudel des Fluches, der bis zum Exil führen kann. Gott fordert die Sabbatjahre ein, die dem Land verwehrt worden sind.


«Dann wird das Land seine Sabbate geniessen, solange es verwüstet liegt und ihr im Land eurer Feinde seid. Ja, dann wird das Land ruhen und seine Sabbate geniessen dürfen. Solange es verwüstet liegt, wird es ruhen, weil es nicht ruhen konnte an euren Sabbaten, als ihr darin wohntet.» (3 Mo 26,34–35)


Es gibt verschiedene geistliche Lesarten der Corona-Krise. Ich glaube, dass in diesem Fluch- und Segenskapitel etwas von unserer Situation anklingt. Wo haben wir als Leib Christi den Segenskreislauf verlassen? Wo ist in unseren Gemeinden der himmlische Sound verstummt und durch einen schaurigen Tanz ums goldene Kalb ersetzt worden? Gott ruft uns zurück in seine Wege. Zurück in seinen Segen. Und zurück in seinen himmlischen Rhythmus.


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Dieser Artikel ist zuerst auf www.gebet.ch erschienen. Es ist mein letzter Artikel als Kommunikationsverantwortlicher von «Gebet für die Schweiz». Per Ende April gebe ich den Stab weiter. Ich bin gespannt, welche neuen Melodien in meinem Leben folgen werden.

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